Zwischen Westminster und München: Globale Herausforderungen, lokale Folgen im Rennstall

Winfried Engelbrecht-Bresges, CEO des Hong Kong Jockey Club und Vorsitzender der IFHA, warnte: Zu starke Regulierung gefährdet das gesamte Ökosystem des Rennsports – von der Zucht über die Rennplanung bis hin zu internationalen Wettpools wie dem World Pool.

Warum der britische Protest gegen Steuererhöhungen auch uns in Deutschland betrifft

Als Trainer im deutschen Galopprennsport verfolge ich Entwicklungen im Ausland sehr genau. Was in London entschieden wird, kann schon morgen Auswirkungen auf uns in München haben. Die jüngsten Proteste in Großbritannien gegen eine geplante Steuererhöhung auf Rennwetten haben gezeigt, wie sensibel das internationale Gefüge ist, auf das auch wir uns verlassen.

Am 10. September 2025 kam es zu einem beispiellosen Akt: Vier Renntage wurden gestrichen, und Hunderte Jockeys, Trainer, Besitzer und Funktionäre versammelten sich vor dem Parlament in Westminster. Unter dem Motto “Axe the Racing Tax“ protestierten sie gegen die geplante Anhebung der Wettsteuer von 15 auf 21 Prozent.

❓ Die wichtigsten Fragen zu "Axe the Racing Tax"

Was bedeutet die geplante „Racing Tax“?

Aktuell wird Online-Wetten auf Pferderennen in Großbritannien mit 15 % besteuert – weniger als Online-Glücksspiele, die mit 21 % belegt sind. Die Regierung plant, beide Bereiche gleichzustellen und Pferdewetten künftig ebenfalls mit 21 % zu besteuern.

Was steckt hinter der Kampagne #AxeTheRacingTax?

Die britische Rennsport-Szene – von Jockeys bis Besitzern – ruft die Regierung auf, diese Steuererhöhung zu stoppen. Denn Pferderennen sind Teil der Kultur, sichern viele Arbeitsplätze und bringen große wirtschaftliche Effekte. Eine Steuer von 21 % würde laut Berechnungen innerhalb von fünf Jahren rund 330 Mio. Pfund Kosten verursachen.

Warum würde diese Steuererhöhung den Rennsport schädigen?

Wetten finanzieren den Rennsport mit. Jeder Einsatz bringt einen kleinen Beitrag für Rennpreise, Training, Jobs und Veranstaltungen. In Großbritannien fließen aber schon heute nur etwa 3 % der Wettumsätze zurück in den Sport – weniger als in allen anderen großen Rennsportnationen. Eine höhere Steuer würde diesen Anteil noch weiter reduzieren und besonders kleinere Rennvereine gefährden.

Wer fordert die Abschaffung der Steuerpläne?

Die British Horseracing Authority (BHA) vertritt die Interessen des Rennsports und macht auf die Folgen aufmerksam. Unterstützt wird sie von Jockeys, Trainern, Besitzern und zahlreichen Betrieben, die direkt oder indirekt vom Rennsport abhängen.

Welche Rennbahnen wären betroffen?

Im Prinzip alle 59 Rennbahnen in Großbritannien – von großen Traditionsbahnen bis zu kleinen, regional wichtigen Rennorten. Besonders gefährdet sind die kleinen Bahnen, die schon heute wirtschaftlich unter Druck stehen. Insgesamt hängen rund 85.000 Jobs direkt oder indirekt am britischen Rennsport.

Warum kämpft der britische Rennsport schon jetzt ums Überleben?

Die zentrale Finanzierung über die Horserace Betting Levy reicht nicht mehr aus, um die Kosten des Sports zu decken. Britische Rennen haben im internationalen Vergleich deutlich geringere Preisgelder, und der Anteil der Wettumsätze, der zurück in den Sport fließt, ist der niedrigste aller großen Rennsportländer. Zusätzlich sorgen strenge Spielerprüfungen für sinkende Umsätze – und ein Teil wandert in den Schwarzmarkt ab.

Was kann man selbst tun?

In Großbritannien rufen Verbände und Aktive dazu auf, eine Petition gegen die geplante Steuererhöhung zu unterschreiben. Für uns in Deutschland bleibt wichtig, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen – und daraus Lehren für die eigene Finanzierungsbasis zu ziehen.

Ein globales Ökosystem unter Druck

Winfried Engelbrecht-Bresges, CEO des Hong Kong Jockey Club und Vorsitzender der IFHA, warnte: Zu starke Regulierung gefährdet das gesamte Ökosystem des Rennsports – von der Zucht über die Rennplanung bis hin zu internationalen Wettpools wie dem World Pool.

Die Dimension wird deutlich, wenn man die Umsätze vergleicht:

  • In Hongkong wurden 2024/25 bei nur 88 Renntagen rund 139 Mrd. HK-Dollar (ca. 15 Mrd. €) umgesetzt.

  • In Großbritannien liegt der jährliche Wettumsatz bei etwa 13 Mrd. Pfund, verteilt auf fast 1.500 Renntage.

Hohe Abgaben und strenge Spielerkontrollen könnten Spieler in den Schwarzmarkt treiben – mit fatalen Folgen für die Finanzierung des Rennsports.

Internationaler Vergleich: Wettumsätze & Rennpreise

Datenstand: 2024/25. Währung:

Wettumsatz (Racing Wagering Turnover)

Hongkong (HKJC), Großbritannien (BHA), Deutschland (German Tote).

Rennpreise (gesamt, Jahreswert)

Frankreich (France Galop), Großbritannien (BHA), Deutschland (Deutscher Galopp).

Deutschland: Stabil, aber fragil

Auch hierzulande ist die Basis schmal. Wir leben von engagierten Besitzern, Sponsoren und einer großen Leidenschaft. Doch die Zahlen für 2024 zeigen, wie empfindlich unser System ist:

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Kennzahl Wert 2024 Veränderung ggü. 2023
Gesamt-Rennpreise 13.062.379 € +49.817 € (+0,4%)
Ø Rennpreis pro Rennen 14.628 € +945 € (+6,8%)
Ausgeschüttete Züchterprämien 3.000.430 € -67.321 € (-2,2%)
Gesamt-Wettumsatz (German Tote) 30.807.556 €
Umsatz pro Rennen 34.499 €
Anzahl Rennen 893 -58
Ø Starterzahl 8,20 +0,01
Renntage 120 Stabil

👉 Die Zahlen zeigen: Ein leichter Aufwärtstrend bei Rennpreisen und Umsätzen – aber weniger Rennen und kaum mehr Starter. Das macht uns anfällig für Einflüsse von außen.

🎙️ Podcastfolge: Zwischen Westminster und München – Steuerpläne und ihre Folgen

In dieser Episode sprechen wir über die geplante Steuererhöhung auf Rennwetten in Großbritannien, die spektakulären Proteste in Westminster und was diese Entwicklungen für uns in Deutschland bedeuten könnten. Ein Thema, das den internationalen Rennsport in Bewegung hält.

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Zwischen Westminster und München: Meine Sicht als Trainer

Als ich die Bilder aus London gesehen habe – Jockeys wie Hollie Doyle und Oisin Murphy in weißen Jacken mit dem Slogan „Axe the Racing Tax“ vor dem Parlament – war mir klar: Dieser Protest richtet sich nicht nur gegen eine britische Steuer. Er ist auch ein Weckruf für uns in Deutschland.

Denn ob unsere Pferde in München starten, in Düsseldorf oder in Hoppegarten: Wir sind Teil eines internationalen Netzwerks. Wenn Preisgelder in England schrumpfen, fehlt uns ein Absatzmarkt für unsere Zuchtprodukte. Wenn internationale Wettpools geschwächt werden, sinkt die Attraktivität von Rennen auch bei uns.

Fazit

Der britische Protest war spektakulär – aber die Botschaft ist ernst: Galopprennsport darf nicht auf kurzfristige Steuerinteressen reduziert werden. Er ist Kulturgut, Wirtschaftsfaktor und verbindet Kontinente.

Für uns in Deutschland bedeutet das: Wir müssen wachsam bleiben und unsere Strukturen stärken. Nur so können wir international mithalten – und unseren Besitzern, Partnern und Fans auch in Zukunft spannende Perspektiven bieten.

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