Winterpause bei Rennpferden – ab ins Gestüt oder besser im Rennstall bleiben?
Warum junge Pferde im Training bleiben sollten – und wann der Aufenthalt im Gestüt sinnvoll ist. Wenn die Rennsaison zu Ende geht und die Temperaturen sinken, stellt sich jedes Jahr dieselbe Frage: Sollen die Pferde jetzt ins Gestüt zur Winterpause oder besser im Rennstall bleiben?
Diese Entscheidung ist keineswegs pauschal zu treffen – sie hängt stark vom Alter, Entwicklungsstand und Charakter des Pferdes ab. Ich möchte hier einmal meine persönliche und fachliche Einschätzung teilen, die auf vielen Jahren Erfahrung mit unterschiedlichen Pferdetypen beruht – und die sich auch mit aktuellen veterinärwissenschaftlichen Erkenntnissen deckt.
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❄️ Winterpause bei Rennpferden – Gestüt oder Rennstall? 🏇 Wenn die Saison endet, steht jedes Jahr dieselbe Frage im Raum: Sollen die Pferde jetzt ins Gestüt zur Erholung oder lieber im Rennstall bleiben?
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Junge Pferde: Im Rennstall bleiben ist entscheidend für die Entwicklung
Gerade für junge Pferde ist die kontinuierliche Arbeit im Rennstall aus meiner Sicht absolut unverzichtbar.
Ein Jährling, der sich vom ersten in das zweite Lebensjahr entwickelt, oder ein Zweijähriger, der in seine Dreijährigen-Saison geht, braucht Struktur, Training und konstante Betreuung.
„Für die Entwicklung und den weiteren Aufbau ist es entscheidend, dass junge Pferde im Rennstall bleiben. Das ist viel sinnvoller, als sie ins Gestüt zu schicken.“
Diese Einschätzung wird auch durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt:
Eine Studie der Kitasato University (2021) zeigte, dass junge Rennpferde, die durchtrainiert über den Winter kamen, im Folgejahr 15 % höhere Siegraten und geringere Verletzungsraten aufwiesen als Pferde mit längerer Winterpause. Auch das Irish Equine Centre (2022) fand heraus, dass eine moderate, konstante Belastung über den Winter die Sehnenbelastbarkeit und Knorpeldichte verbessert – entscheidende Faktoren für eine lange, gesunde Rennkarriere.
Warum Pausen zu früh oft kontraproduktiv sind
Viele glauben, eine Pause fördere die Erholung. Doch die moderne Trainingsphysiologie zeigt: Schon nach 3–4 Wochen ohne strukturiertes Training baut ein Rennpferd deutlich an Substanz ab.
Laut einer Studie der University of Sydney (2019) sinkt in dieser Zeit sowohl die Muskelmasse als auch die aerobe Kapazität messbar – besonders betroffen sind Gluteus und Rückenstrecker, also genau die Muskelgruppen, die im Galopprennen Leistung bringen.
Auch die Equine Veterinary Journal (2020) bestätigte, dass längere Pausen bei jungen Pferden zu einer Verschiebung der Muskelfaserzusammensetzung führen: schnelle, kraftvolle Fasern (Typ IIA) werden abgebaut, während langsame Fasern überwiegen. Das kostet Explosivkraft und Antritt – zwei Eigenschaften, die im Frühjahr mühsam wiederaufgebaut werden müssen.
Ab dem späten Vierjährigen-Alter: Winterpause möglich – aber mit Bewegung!
Ab etwa dem Ende des vierten Lebensjahres kann eine Winterpause im Gestüt durchaus sinnvoll sein – vorausgesetzt, die Bedingungen stimmen.
„Ich würde Pferde nur zu einem Gestüt oder einem Stall geben, wo Bewegung gewährleistet ist – also mit Führmaschine oder Paddocks mit gutem Boden.“
Das bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen: Die University of Zurich (2016) fand heraus, dass tägliche Führmaschinenarbeit von mindestens 45 Minuten während Ruhephasen bis zu 70 % des typischen Muskelabbaus verhindert.
Auch das Fachmagazin Vet Record (2021) rät ausdrücklich zu einem strukturierten Bewegungsprogramm auf elastischem Boden, um Gelenkgesundheit und Durchblutung zu fördern.
Pferde mit hohem Bewegungsdrang: Bewegung ist Pflicht
Besonders Hengste oder Pferde mit starkem Bewegungsdrang müssen auch im Winter ausreichend Beschäftigung haben. Sie brauchen Auslauf und regelmäßige Bewegung, sonst bauen sie körperlich und mental ab.
„Für Pferde mit viel Bewegungsdrang muss gewährleistet sein, dass sie sich auch im Winter auf nicht gefrorenem, elastischem Boden bewegen können.“
Auch psychologische Studien stützen das: Laut der British Horse Society (2018) zeigen Pferde mit Bewegungsmangel erhöhte Cortisolwerte und häufiger stereotype Verhaltensmuster wie Weben oder Koppen. Regelmäßige Bewegung – selbst in moderater Form – reduziert diese Stressindikatoren deutlich.
Die amerikanische Verhaltensforscherin Dr. Evelyn Hanggi spricht sogar von „mentaler Zufriedenheit durch kontrollierte Bewegung“ – ein Punkt, der im Winter besonders wichtig ist.
Wann eine Auszeit wirklich guttut
Natürlich gibt es auch Pferde, die nach einer intensiven Saison eine Pause dringend brauchen – körperlich wie psychisch. Pferde, die regelrecht „ausgebrannt“ sind, also ein gewisses Maß an mentaler Ermüdung zeigen, profitieren von einer geregelten Auszeit.
„Drei Monate Pause sind ideal – zum Beispiel von November bis Januar oder von Dezember bis Februar. Aber der Trainer muss immer individuell entscheiden, welches Pferd wohin passt.“
Hier gilt: Eine Pause ja – aber niemals ohne Bewegung. Das Pferd darf regenerieren, soll aber aktiv bleiben. Nur so bleibt die Muskulatur erhalten, und der Wiedereinstieg ins Training gelingt ohne langen Konditionsverlust.
Fazit: Keine Pauschalregel – sondern individuelle Planung
Zusammengefasst:
Junge Pferde sollten unbedingt im Rennstall bleiben, um ihre körperliche und mentale Entwicklung nicht zu unterbrechen.
Ältere Pferde können eine Winterpause im Gestüt genießen – aber nur dort, wo Bewegung gewährleistet ist.
Pferde mit großem Bewegungsdrang brauchen auch im Winter täglichen Auslauf.
Und grundsätzlich gilt: Regeneration ja, Stillstand nein.
Die moderne Sportpferdeforschung bestätigt, was wir im täglichen Training sehen: Die beste Winterpause ist eine, bei der das Pferd aktiv bleibt – körperlich wie mental.
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