Innovation und Tierwohl: Wie moderne Medizintechnik den Galopprennsport revolutioniert

🎧 Diesen Artikel als Podcast anhören!

Der Galopprennsport verbindet Tradition, Leidenschaft und Spitzenleistung – und stellt das Wohl unserer Pferde ins Zentrum. In dieser Folge sprechen wir über moderne Medizintechnik, KI-gestützte Diagnostik und smarte Sensorik: wie Prävention früher greift, Training individueller wird und Transparenz wächst.

Folgt uns bei Spotify

Der Galopprennsport steht wie kaum eine andere Disziplin für Tradition, Leidenschaft und sportliche Exzellenz. Gleichzeitig übernehmen wir als Trainer und Pferdemenschen heute mehr Verantwortung denn je – für das Wohl, die Gesundheit und die langfristige Leistungsfähigkeit unserer vierbeinigen Athleten. Moderne Medizintechnik eröffnet uns dabei Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren.

In unserem internationalen Netzwerk beobachten wir mit großem Interesse, wie Forschung, Digitalisierung und Ethik Hand in Hand gehen. Der weltweite Fortschritt zeigt: Das Tierwohl steht im Mittelpunkt einer neuen Ära des Galopprennsports.

Hightech-Diagnostik: Prävention statt Reaktion

Ein Beispiel, das jüngst weltweit Schlagzeilen machte, war der Rückzug des Favoriten Sir Delius aus dem Melbourne Cup 2025 – nach einer Routineuntersuchung per CT- und PET-Scan. Was zunächst enttäuschend klang, war in Wahrheit ein Beweis für konsequenten Tierschutz: Racing Victoria hat als erste Behörde der Welt verpflichtende bildgebende Untersuchungen für alle Starter eingeführt.

Die dahinterliegende Technologie, entwickelt von der University of Melbourne und der CSIRO, erkennt selbst kleinste Veränderungen im Knochenstoffwechsel – lange bevor sie zu Verletzungen führen könnten. Eine neue Generation von KI-gestützter Diagnostik hilft dabei, Muster zu erkennen, die menschliche Augen übersehen würden.

Auch in den USA wird dieses Prinzip weiterentwickelt: Das UC Davis Center for Equine Health arbeitet mit Hochgeschwindigkeitskameras und Tiefensensorik, um Gangbilder zu analysieren und subtile Abweichungen frühzeitig zu erkennen. Das Ziel: eine datenbasierte Prävention, die Verletzungen verhindert, bevor sie entstehen.

🎥 Video-Tipp: „Artificial Intelligence in Equine Radiology“

Wer verstehen möchte, wie moderne KI-Systeme in der veterinärmedizinischen Bildgebung heute funktionieren, sollte dieses Fachvideo von Vetel Diagnostics nicht verpassen.

Künstliche Intelligenz in der Pferderadiologie – Präzision trifft Innovation 🧠🐎
Wie kann Künstliche Intelligenz Tierärzten helfen, Diagnosen noch genauer und schneller zu stellen? In diesem spannenden Vortrag zeigt der renommierte Pferdetierarzt
Dr. Jim Waldsmith, wie die „Intellect Module“-Software Bilddaten aus tausenden realen Fällen nutzt, um Röntgenaufnahmen automatisch zu analysieren, zu sortieren und auszuwerten.

Von der automatischen Bilderkennung bis zur KI-gestützten Rauschreduktion: Die Technologie bietet mehr Klarheit, Konsistenz und Vertrauen bei der radiologischen Beurteilung – und verschafft Tierärzten mehr Zeit für das Wesentliche: die Behandlung ihrer Patienten.

Intelligente Trainingssteuerung und Bodentechnologie

Der Hong Kong Jockey Club hat ein System zur KI-gesteuerten Bodenanalyse eingeführt, das Härte, Temperatur und Feuchtigkeit in Echtzeit überwacht. Durch automatische Anpassungen konnte die Zahl der Sehnenverletzungen in nur zwei Jahren um fast 20 % reduziert werden.

Ähnliche Entwicklungen gibt es in Japan, wo die JRA sensorbestückte Hufeisen testet. Diese liefern Bewegungsdaten an eine Cloudplattform, die Trainer warnt, wenn ein Pferd in biomechanische Ungleichgewichte gerät. Das ist nicht nur für die Trainingssteuerung hilfreich – auch Züchter gewinnen dadurch neue Erkenntnisse über genetische Belastbarkeit.

🩺 Technologie im Dienste des Pferdewohls: Herzfrequenzmessung im Rennen

Ein spannendes Pilotprojekt der British Horseracing Authority (BHA) zeigt aktuell, wie moderne Messtechnik den Galopprennsport sicherer und transparenter machen kann.
Beim Saisonfinale in Plumpton trug der von Fergal O’Brien trainierte Wallach Ted’s Friend erstmals einen Herzfrequenzsensor während eines regulären Rennens – ein Novum auf britischem Boden.

Das speziell entwickelte Arioneo-Equimetre-Gerät wurde im Rahmen eines von der BHA begleiteten Tests eingesetzt, um die Belastung des Pferdes unter realen Rennbedingungen objektiv zu erfassen. Die Daten liefern nicht nur Informationen über die Herzaktivität vor, während und nach dem Rennen, sondern eröffnen auch neue Möglichkeiten für Forschung, Training und Prävention.

Ziel des Projekts ist es, besser zu verstehen, wie Pferde physiologisch auf Belastung reagieren – und wie diese Erkenntnisse helfen können, das Risiko von Überlastung oder Herzrhythmusstörungen frühzeitig zu erkennen. Die Ergebnisse werden unter anderem mit Forschern der University of Surrey ausgewertet, um langfristig zur Verbesserung von Sicherheit und Wohlbefinden der Pferde beizutragen.

„Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend“, sagt Sally Taylor, Leiterin für Equine Regulation, Safety and Welfare bei der BHA. „Wir sehen enormes Potenzial darin, wie Wearable-Technologie helfen kann, Trainingsmethoden zu optimieren und Risiken zu minimieren.“

Auch Reiter und Trainer zeigen sich überzeugt. Max Kendrick, ehemaliger Jockey und heute Assistent im O’Brien-Stall, betont:

„Pferde können nicht am Computer trainiert werden – aber die Daten helfen uns, ihre individuellen Bedürfnisse besser zu verstehen und Entscheidungen im Sinne ihres Wohlbefindens zu treffen.“

Von der Humanmedizin in den Rennstall: Technologien im Transfer

Viele dieser Fortschritte haben ihren Ursprung in der Humanmedizin. Dort sind Künstliche Intelligenz, Präzisionsdiagnostik und Telemedizin bereits fest etabliert – und liefern wertvolle Impulse für die Pferdemedizin.

🧠 KI in der Bildauswertung

KI-Systeme wie Aidoc oder Zebra Medical Vision werten in der Humanradiologie Millionen CT- und MRT-Bilder aus, um Mikrofrakturen oder Tumoren früh zu erkennen.
Veterinärsysteme wie Metron AI oder Vetel Diagnostics nutzen nun dieselben Prinzipien, um winzige Knochenveränderungen bei Pferden sichtbar zu machen – lange bevor eine Lahmheit auftritt.

❤️ Wearables und Vitaldaten-Tracking

Aus der Sportmedizin stammen Sensoren, die Herzfrequenz und Belastung in Echtzeit messen. Heute kommen sie bei Rennpferden als smarte Gurte oder Halfter zum Einsatz.
So lässt sich die Trainingsintensität individuell steuern – ein Konzept, das aus dem Human-Performance-Coaching stammt.

🦴 3D-Bildgebung und digitale Anatomie

Orthopäden nutzen in der Humanmedizin längst 3D-Modelle, um Operationen zu planen.
Pferdekliniken ziehen nach: Sie rekonstruieren Hufkapseln, Gelenke oder Wirbelsäulen digital, um Beschläge oder Eingriffe präzise vorzubereiten.

🧬 Predictive Medicine & Genanalyse

Wie beim Menschen lassen sich genetische Prädispositionen nun auch beim Pferd erforschen – etwa für Sehnenbelastung oder Knochenstoffwechsel.
So wird Training und Fütterung immer stärker auf die individuelle Biologie des Pferdes abgestimmt.

Wie moderne Genetik die Zukunft der Pferdezucht verändert 🧬🐎
Beim HorseTech Congress zeigt Etalon, wie präzise genetische Analysen helfen, Pferde besser zu verstehen – von Leistungsfähigkeit über Gesundheit bis hin zu optimalen Anpaarungen.
Mit innovativer DNA-Sequenzierung entsteht ein ganzheitliches „Whole Horse Picture“: Züchter, Trainer und Tierärzte erhalten neue Einblicke in Vererbung, Inzucht, Eignung und Prävention.
Ein faszinierender Einblick in die Zukunft der Pferdezucht – wissenschaftlich fundiert, praxisnah und immer im Sinne des Wohlbefindens der Tiere.

Forschung für die Zukunft: Hong Kong Jockey Club entwickelt smartes Überwachungssystem

Die Hong Kong Jockey Club Equine Welfare Research Foundation (HKJCEWRF) unterstützt derzeit mehrere Forschungsprojekte, die – ähnlich wie die BHA-Initiative – den Einsatz von Technologie und Datenanalyse für mehr Pferdewohl und Sicherheit im Rennsport fördern.

Ein besonders relevantes Vorhaben ist das Projekt „Development and Validation of a Smart Wearable System for Continuous Equine Health Monitoring“ (Universität Hongkong, 2024–2026). Ziel ist es, ein tragbares Sensorsystem zu entwickeln, das Vitalparameter wie Herzfrequenz, Körpertemperatur, Bewegungsmuster und Atmungsaktivität in Echtzeit erfasst. Die Daten sollen helfen, frühe Anzeichen von Erschöpfung, Stress oder Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus zu erkennen – und somit gesundheitliche Risiken bereits im Training zu minimieren.

ℹ️ Hong Kong Jockey Club Equine Welfare Research Foundation (HKJCEWRF)

Die Hong Kong Jockey Club Equine Welfare Research Foundation Limited (HKJCEWRF) wurde im Jahr 2020 als steuerbefreite, gemeinnützige Organisation nach Section 88 des Inland Revenue Ordinance in Hongkong gegründet. Ausgangsbasis war eine großzügige Spende von 600 Millionen HK$ durch den Hong Kong Jockey Club.

Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität von Vollblut-Rennpferden während und nach ihrer Rennkarriere kontinuierlich zu verbessern. Dazu fördert die Stiftung wissenschaftliche Forschungsprojekte in den Bereichen Gesundheit, Training, Prävention und Pferdewohl – und bringt Forscher, Tierärzte, Trainer und Entscheidungsträger zusammen.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Verbindung von Wissenschaft und Praxis: Ergebnisse sollen nicht nur publiziert, sondern auch über die Website der Stiftung und regelmäßige Fachkonferenzen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zudem vergibt die HKJCEWRF Stipendien, um junge Talente im Bereich der Pferdewissenschaften zu fördern.

Die Mittelvergabe erfolgt nach einem strengen Begutachtungsverfahren: Alle Projektanträge werden durch ein veterinärmedizinisches Expertengremium sowie den Vorstand bewertet, wobei die wissenschaftliche Qualität und der praktische Nutzen für das Rennpferd ausschlaggebend sind.

Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Seite des Hong Kong Jockey Club.

Das Projekt wird vom HKJCEWRF mitfinanziert und in enger Zusammenarbeit mit internationalen Forschungseinrichtungen durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen langfristig in den Rennbetrieb in Hongkong integriert werden – als Teil einer datenbasierten Strategie zur Verbesserung von Pferdesicherheit, Trainingssteuerung und veterinärmedizinischer Prävention.

Damit positioniert sich der Hong Kong Jockey Club weltweit als einer der Vorreiter, wenn es um die Verbindung von technologischer Innovation und verantwortungsvollem Pferdesport geht.

Verantwortung, Fortschritt und Ethik

All diese Projekte zeigen: Der moderne Galopprennsport ist kein Relikt vergangener Zeiten, sondern ein Innovationslabor für angewandte Veterinärtechnologie. Künstliche Intelligenz, Sensorik und Datenanalyse ersetzen nicht unsere Erfahrung, aber sie erweitern sie – zu einem verantwortungsvolleren, transparenteren und zukunftsfähigen Sport.

Unser Ziel im Rennstall Figge ist klar: Höchste sportliche Leistung – bei maximalem Respekt für das Pferd. Diese Haltung verbindet uns mit den besten Ställen weltweit und prägt unsere tägliche Arbeit.

Fazit

Der Galopprennsport 2025 zeigt sich in einer neuen Rolle: als Vorreiter technologischer Innovationen im Sinne des Tierwohls. Was früher nur mit Erfahrung und Instinkt möglich war, wird heute wissenschaftlich messbar – und das zugunsten unserer Partner auf vier Beinen.

Wer diese Entwicklung selbst einmal erleben möchte, ist herzlich eingeladen, uns im Rennstall zu besuchen oder sich über unsere Arbeit zu informieren.
👉 Mehr dazu unter www.rennstall-figge.de/wie-werde-ich-rennpferd-besitzer

Zurück
Zurück

Unsere Starter am Wochenende in München und Hannover

Weiter
Weiter

Durchwachsener Renntag in Baden-Baden – Blick nach vorn